Jeder Erblasser kann gesetzliche Erben in seinem Testament enterben, auch wenn das deutsche Erbrecht es nicht gern sieht. Der Enterbte geht in solchem Fall aber meist trotzdem nicht leer aus: Wenn nicht der Sonderfall der Erbunwürdigkeit vorliegt, hat der Enterbte nach dem § 2303 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) einen sogenannten Pflichtteilsanspruch. Der Erbe muss also einen Geldbetrag an den Pflichtteilsberechtigten auszahlen.
Der Pflichtteil bei Enterbung entspricht wertmäßig der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also die Hälfte dessen, was der enterbte Angehörige im Falle der gesetzlichen Erbfolge erhalten hätte. Um das Pflichtteilsrecht im Falle einer Enterbung zu berechnen, muss man also nur feststellen, wie viel der gesetzliche Erbteil des enterben Angehörigen Wert gewesen wäre und die Höhe des so ermittelten Betrags durch Zwei teilen. Je mehr gesetzliche Erben berechtigt sind, desto kleiner ist der Pflichtteil.
Weitere Informationen zum Pflichtteil im Erbrecht finden Sie auch auf meiner Website zum Thema Pflichtteilsanspruch.
Ein Vater (Erblasser) hat zwei Abkömmlinge (Kinder). Ein Kind kümmert sich rührend um den Vater, ein anderes fand den Beruf des Vaters (Schlachter) immer schon bedenklich und wandte sich früh von der Familie ab, um ein veganes Leben zu führen. Der Vater setzt das rührende Kind zum Alleinerben ein, das andere wird im Testament nicht erwähnt. Beim Tode des Vaters möchte das vegan lebende Kind die Hälfte der Schlachterei. Weil es quasi enterbt wurde, hat das vegane Kind einen Anspruch auf die Hälfte des Betrages, den sein Erbteil ausmacht, also Immobilienvermögen, Firma und sonstiges Vermögen. Der um Verbindlichkeiten des Erblassers bereinigte Nachlass wird rechnerisch durch zwei geteilt (zwei gesetzliche Erben erhalten je die Hälfte) und die Hälfte der Hälfte (der Pflichtteil entspricht einer Hälfte des gesetzlichen Erbteils) steht dem veganen Kind zu. Die Summe in Geld, die einem Viertel des Nachlasses wertmäßig entspricht, kann der übergangene Erbe vom Erben verlangen. Sollte der Vater 10 Jahren vor dem Tode eine unentgeltliche Zuwendung an den Erben gegeben haben, z. B. den alten wertvollen Mercedes verschenkt, so ist dessen Wert dem Pflichtteil zu einem Viertel hinzuzurechnen. In jedem Jahr schmilzt dieser hinzuzurechnende Betrag aber um 1/10 ab. Eine Schenkung vor 11 Jahren vor dem Erbfall fällt also nicht mehr ins Gewicht. Vater und rührendes Kind sind also gut beraten, genügend Barmittel verfügbar zu halten, um den Pflichtteil auszahlen zu können, um die Schlachterei nicht verkaufen zu müssen. Ein Notverkauf bringt immer weniger Erlös als ein Verkauf, bei dem die Zeit nicht drängt. Der Erbe ist dann auch frei in seiner Entscheidung, ob er die Schlachterei selbst fortführt oder verpachtet und nicht verkauft, denn beim Verkauf müßten möglicher Weise stille Reserven aufgedeckt und versteuert werden.
Die Großmutter, Eigentümerin von verschiedenen Immobilien und einem prall gefüllten Depot, hat sich von ihrem Ehemann nur getrennt, aber nicht scheiden lassen. Zu den gemeinsamen Kindern besteht nur ein oberflächlicher Kontakt, denn diese schätzen die Lebensweise der Großmutter nicht. Sie lebt mit ihrem etwas jüngeren Lebensgefährten ein glückliches Leben in einem schönen Haus, bis sie nach einer Party überraschend stirbt. In einem formwirksamen, handschriftlichen Testament, das Ehemann und Kindern unbekannt war, hatte die Großmutter den Lebensgefährten als Alleinerben eingesetzt. Nachdem der Lebensgefährte den Ehemann und die Kinder sofort telefonisch vom Tod der Ehefrau bzw. der Mutter verständigt, um die Beerdigung und die Trauerfeier vorzubereiten, erhält er vom Rechtsanwalt des Ehemannes und der Kinder eine Räumungsaufforderung und ein Hausverbot. Durch das formwirksame Testament werden die gesetzlichen Erben enterbt und damit auf den Pflichtteil gesetzt. Der Alleinerbe kann sie daher in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils auszahlen. Der Ehemann erhält also einen schuldrechtlichen Anspruch auf ein Viertel des Wertes, den der Nachlass ausmacht und die Kinder je einen Anspruch auf ein Achtel. Hätte die Großmutter ein maschinenschriftliches Testament mit eigener Unterschrift gemacht (formunwirksam), müßte der Lebensgefährte nach einer Übergangszeit das Haus räumen und ginge im Übrigen leer aus.
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Ein Paar lebt in weder eingetragener, noch sonst dokumentierter Lebensgemeinschaft zusammen im Haus eines Lebenspartners, dessen Mutter lebt, aber die Beziehung nie gut geheißen hat. Beide Lebenspartner haben sich in ihren Testamenten jeweils gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und gesetzliche Erben nicht erwähnt. Der Hauseigentümer stirbt und sein Partner ist erstaunt, als ihn die Mutter des Verstorbenen bei der Beerdigung zum Verkauf des Hauses auffordert und die Hälfte des Erlöses - also den Pflichtteil - beansprucht.
Die Möglichkeiten der Pflichtteilsansprüche sind sehr komplex und können hier nicht alle dargestellt werden. Ich berate Sie aber gern bei einem persönlichen Gespräch in meiner Kanzlei für Erbrecht in Berlin Charlottenburg / Wilmersdorf. Bitte vereinbaren Sie dazu einen Termin mit mir.