Die Väter des BGB konnten weder die heutigen Kreuzfahrten noch die Ausbreitung des Corona-Virus vorhersehen. Sie haben aber vorhergesehen, dass Situationen eintreten können, die es notwendig machen, dass ein Testament sofort errichtet werden kann. Auch wenn ein Erblasser oder ein Paar weder einen Notar erreichen noch ein eigenhändiges Testament aufsetzen können.
Ein solcher Fall tritt z. B. dann ein, wenn ein Erblasser unerwartet zu schwach wird, um zu schreiben. Wenn er zwar keinen Notar mehr, wohl aber einen Bürgermeister erreichen kann, kann der Erblasser seinen letzten Willen vor einem Bürgermeister erklären - deswegen heißt die Urkunde auch das Bürgermeister-Testament. Auf einer Seereise kann das Testament vor drei Zeugen erklärt werden - dieses Dokument nennt man See-Testament.
Beim Bürgermeister-Testament muss der Erblasser seinen letzten Willen in Gegenwart von zwei Zeugen gegenüber dem Bürgermeister mündlich erklären und ein mit "Testament" überschriebenes Schriftstück übergeben, in dem dieser Wille schriftlich festgehalten ist. Wird das Schriftstück anschließend dem Erblasser vorgelesen und von ihm, dem Bürgermeister und den beiden Zeugen unterschrieben, liegt so ein gültiges Bürgermeistertestament vor. Das gilt auch dann, wenn der Vorgang der Testamentserrichtung zunächst nur durch Diktat des Bürgermeisters auf Band aufgezeichnet und erst nach dem Tod des Erblassers in einer von dem Bürgermeister und den beiden Zeugen unterschriebenen Niederschrift festgehalten wird. So entschied das Bayerische Oberste Landesgericht in einem Beschluss vom 08. Dezember 1995 – 1Z BR 80/95-.
Das See-Testament ist für den Fall vorgesehen, dass sich ein Erblasser auf See auf einem deutschen Schiff außerhalb eines inländischen Hafens befindet. In dem Fall kann er ein Testament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen nach § 2250 Abs. 3 errichten - diese Urkunde heißt dann auch Not-Testament.
In allen drei Fällen, wenn der Erblasser kein Testament macht, greift unweigerlich die gesetzliche Erbfolge oder es gilt ein früheres, nicht mehr aktuelles Testament, das der Erblasser vielleicht vor vielen Jahren einmal verfasst hatte. Wenn also der Erblasser, der seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat, aber z. B. mit dem Corona-Virus oder einer anderen Krankheit im Krankenhaus liegt, kein (aktualisiertes) Testament mehr aufsetzen kann, kann er das in einer mündlichen Erklärung tun. Diese muss von einem Dritten niedergeschrieben und von drei Zeugen gegengezeichnet werden - das gilt als Bestätigung, dass die Erklärung des Erblassers richtig aufgeschrieben wurde.
Der Erblasser muss dazu testierfähig sein, d. h. klar bei klarem Verstand und geschäftsfähig (volljährig). Wie das Oberlandesgericht vor 20 Jahren entschieden hat, können bei der Errichtung eines Nottestaments gemäß BGB § 2250 Abs 3 die mündliche Erklärung des Erblassers und die Verlesung und Genehmigung der Testamentsniederschrift in einem Verhandlungsvorgang zusammengefasst werden. <OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Dezember 2000 – 3 Wx 331/00 –> Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat diese Rechtsprechung in einer jüngeren Entscheidung bekräftigt. (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. März 2017 – I-3 Wx 269/16 –)
In dem Fall aus dem Jahr 2000 hatte die Erblasserin, die sich in stationärer Behandlung eines deutschen Krankenhauses befand, am späten Abend die Befürchtung, dass sie den nächsten Morgen nicht mehr erleben würde. Es waren zwei Krankenschwestern anwesend, denen sie ihren letzten Willen diktierte und sich danach noch einmal in Gegenwart des hinzugekommenen Arztes vorlesen ließ. Anschließend unterschrieben die drei Zeugen das Testament und bezeugten auch, dass die Erblasserin bei klarem Bewusstsein und in der Lage gewesen war, zu bestimmen, was sie wollte. Die in dem Testament nicht bedachten Angehörigen haben danach erfolglos versucht, gegen dieses Nottestament vorzugehen, das Oberlandesgericht bestätigte die Formwirksamkeit der Urkunde.
Wichtig zur Wirksamkeit des Nottestaments sind die folgenden Voraussetzungen:
Das Not-Testament ist für den Notfall gedacht und gilt deshalb nur drei Monate. Wenn die unmittelbare Todesgefahr überwunden wird, also der Erblasser die lebensbedrohliche Lage überlebt, und drei Monate vergangen sind, verliert das Not-Testament seine Gültigkeit und es gilt entweder die gesetzliche Erbfolge oder das nicht mehr aktuelle, alte Testament.